Immer mehr Menschen sind der Auffassung, dass wir in Krisenzeiten leben. In einer Welt, die aus den Fugen geraten zu sein scheint, ist die Sehnsucht nach Sicherheit sowie Geborgenheit so groß wie lange nicht mehr. Dadurch erlangt eine feste Partnerschaft und die Familie wieder einen höheren Stellenwert. Nutznießer aus diesem Trend sind Kontaktbörsen nebst Partnervermittlungen, die wie nie zuvor florieren. Die Zeilen dieses Prologs schreibe ich an einen jener Tage, an dem die Welt um mich herum aufgrund COVID-19 annähernd still steht. Während die Einen der Ruhe positives abgewinnen können, werden sich anderseits viele Singles aufgrund der auferlegten Kontaktbeschränkungen ihrer Einsamkeit bewusst. Ich wage die Vorhersage, dass es der Branche langfristig noch besser gehen wird.
Alleine in der BRD leben über 15 Millionen Singles und viele weitere Millionen in Österreich sowie in der Schweiz, wovon ein bedeutender Teil unzufrieden mit ihrer Situation und daher aktiv auf Partnersuche ist. (Quelle: Statistisches Bundesamt 2020). Dieser Markt ist so gigantisch und lukrativ, dass hunderte Partner- und Kontaktbörsen sowie unzählige Internetplattformen um die Gunst — letztendlich nach dem Geld — Alleinstehender buhlen. Jeder zweite Single versuchte bereits sein Glück.
Das zweifelhafte und oft zwielichtige Geschäft mit „einsamen Herzen“, das bis vor Jahren nur diskret aus dem Untergrund agierte, wird mittlerweile von der Gesellschaft akzeptiert und ist allgegenwärtig.
Den zig Millionen teuren TV Werbekampagnen diverser Internetbörsen, die die Werbeunterbrechungen auf mehreren Sendern dominieren, kann sich kaum jemand entziehen. Wem dieses gelingt, der wird auf unzähligen Plakatwänden von scheinbar bindungswilligen Partnerlosen verfolgt. Die dargestellten Frauen sind schlank, hübsch und lächeln aufreizend. Das starke Geschlecht entspricht ausnahmslos dem »Prinz Charming« Klischee.
Das Anpreisen von Frauen sowie Männern wird, meiner Meinung nach, auch im Internet zunehmen, schon alleine, weil das Milliardenunternehmen Facebook sich aktuell auf den Single-Markt stürzt und zwar gebührenfrei. Finanzielle Einbußen sind für die „Mitbewerber“ nicht zu erwarten.
Die Betreiber von Partneragenturen sind flink, wendig und passen sich schnell den aktuellen Trends an. Wer genau hinsieht wird bemerken, dass sie seit Jahrzehnten mit den gleichen abgedroschenen Maschen auf Kundenfang gehen.
Es ist in dieser Branche leicht, den potenziellen Kunden eine neue und vielversprechende Dienstleistung vorzugaukeln. Es genügt, altbewährtes ein wenig zu variieren, und schon glauben auch jene Partnersuchende wieder an uns, die wir bereits enttäuschten.
Um den Markt zu beleben reicht es, dem Angebot einen noch nicht verrufenen zeitgemäßen Namen zu geben. „Aus Raider wird jetzt Twix, sonst ändert sich nichts.“
Der Laie merkt garantiert nicht, dass alles beim Alten bleibt.
Ein aktuelles Beispiel dafür ist das Internet, wo hinter einer zeitgemäßen Fassade versteckt, weiterhin überteuerte und nutzlose Dienste zu finden sind. Neben den modern und seriös anmutenden großen Internetbörsen existieren unzählige Agenturen, die ebenfalls mit legalen, moralisch bedenklichen oder illegalen Strategien das Bestes wollen: Das Geld der Singles.
Mit Partnerschaftstests, psychologischen Gutachten und vielem Wohlklingendem mehr werden die Erwartungshaltungen der Kunden erfüllt und suggeriert, dass sich hier eine Firma bemüht oder anders arbeitet als ihre Mitbewerber.
Eklatante Preisunterschiede, die nicht wirklich glaubhaft gerechtfertigt werden können, sind in dieser Branche die Regel und so mancher Single wurde bis auf das Hemd ausgezogen. „Die Ware Mensch“ lässt sich beeindruckend teuer und gut verkaufen! Die Dummheit von Partnersuchenden scheint grenzenlos, denn wo sonst ist es möglich, ohne Erfolgszusage im Voraus abzukassieren?
Das Vorhaben, Profit daraus zu schlagen, dass Menschen Gleichgesinnte suchen, muss nicht auf ernsthafte Partnerschaften beschränkt bleiben. Ohne nennenswerten Aufwand kann das momentane Angebot auf beispielsweise Sexkontakte erweitert werden. Immerhin sind die Infrastruktur, die Vertriebswege sowie die benötigte Computersoftware beinahe identisch. So kommt es, dass einige Geschäftemacher, die sich als seriöse Partnerschaft- oder Ehestifter darstellen, mithilfe eines Tochterunternehmens oder unter einer zweiten Werbebezeichnung hemmungslosen Sex bereitstellen. Jene Firmen, die so vorgehen, schweigen dieses gerne tod, um nach außen hin einen tugendhaften Schein zu wahren.
Tricks und Kniffe gibt es in diesem Beruf mehr als es für die Kunden gut ist. Der Wissensstand über die Bedürfnisse, Wünsche und Sehnsüchte von Alleinstehenden ist ohne gleichen und die Firmen wären durchaus in der Lage, diesen im Sinne der Kunden zu nutzen. Doch der Mammon hat Vorrang.
Fragen Sie sich, wieso ich das Benannte und mehr — was ich mit den Worten skurril, abenteuerlich sowie kriminell zusammenfasse — über diese Branche weiß und was meine Beweggründe sind, um ihnen all das mitzuteilen?
Alles begann vor etwas mehr als 50 Jahren …